Gebäudeversicherung Bern: Berner Landwirtschaft

Cover
Titel
Berner Landwirtschaft.


Herausgeber
Gebäudeversicherung Bern
Reihe
Die schönsten Seiten des Kantons Bern, 16
Erschienen
Bern 2009: Stämpfli Verlag
Anzahl Seiten
40 S.
Preis
URL
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Daniel Flückiger

Bern gilt als der Schweizer Agrarkanton schlechthin. Es liegt darum nahe, dass die Gebäudeversicherung Bern (GVB) in ihrer Reihe «Die schönsten Seiten des Kantons Bern» eine Ausgabe der Landwirtschaft widmet. Mit dieser Reihe will die GVB die Vielfalt der bernischen Bauten und Landschaften würdigen. Im vorliegenden Heft, das Geschichte und Gegenwart abdecken soll, stammen die Fotos von Hans Rausser und der Text von Andreas Wasserfallen, der die Landwirtschaft aus seiner beruflichen Tätigkeit als Anwalt (Schwerpunkt Agrarrecht) und ehemaliger Agrarjournalist kennt.

Der Schwerpunkt der Publikation liegt bei den Agrarreformen der 1990er-Jahre. Rausser und Wasserfallen gehen zuerst auf einzelne Regionen ein und schildern die Waldweiden im Jura, die Käseproduktion im Emmental und die Viehzucht im Simmental. Auf die knappen Ausführungen zur Agrarmodernisierung im 18. und 19. Jahrhundert folgt eine einzige Seite zur Agrarpolitik im 20. Jahrhundert. Im Rest des Heftes, der fast zwei Drittel der Publikation ausmacht, geht es um die letzten zwei Jahrzehnte, die von einem tief greifenden Wandel der Marktordnungen und einem stetig engeren Zugriff von staatlichen und privatwirtschaftlichen Bürokratien auf die einzelnen Betriebe geprägt waren.

In diesem Teil bringt Wasserfallen seine Detailkenntnisse ein. Einerseits weist er darauf hin, wie flexibel und innovativ die Berner Bauernfamilien auf die neuen Marktverhältnisse reagierten und z.B. neue Angebote lancierten oder ihre Produkte direkt an die Konsumenten vermarkteten. Andererseits schildert Wasserfallen aber auch die Schwierigkeiten, die viele Lösungsversuche mit sich bringen. So kann zum Beispiel das Geldverdienen ausserhalb der Landwirtschaft das wirtschaftliche Überleben sichern, zehrt aber auch an den Kräften der Bauern. Die ohnehin schon hohe Arbeitsbelastung nimmt mit dem Nebenerwerb zusätzlich zu. Die Kenntnisse von Wasserfallen erweisen sich hier als Vorteil.

Wasserfallen ist nicht nur ein distanzierter Erzähler, sondern auch ein Zeitzeuge. Als solcher steht er auf einem Standpunkt, der eng mit der erzählten Geschichte zusammenhängt. Das zeigt sich in seiner Gesamtinterpretation der Agrarpolitik im 20. und 21. Jahrhundert. Hier übernimmt er das Geschichtsbild der Agronomen und Ökonomen, die die Agrarreformen der 1990er-Jahre konzipiert und umgesetzt haben. Nach der professionellen Selbstwahrnehmung dieser Gruppe rechtfertigt das Scheitern der «alten» Agrarpolitik ihr eigenes Handeln in der Gegenwart. Hier gäbe es auch ausgewogenere Perspektiven, wie geschichtswissenschaftliche Beiträge zur Agrarpolitik im 20. Jahrhundert zeigen.1

In Kontrast zum Text, in dem es vor allem um die Zeit nach 1990 geht, stehen die Bilder. Wie es dem Titel der Reihe entspricht, sind sie vor allem «schön», harmonisch und idyllisch. Ausnahmen gibt es wenige: Die Fotografie von weidenden Hühnern in Gals (S. 39) ist originell und die Aufnahmen der Heuernte bei Schlosswil (S. 18) und der Gemüseernte im Grossen Moos (S. 31) nehmen das Thema der Arbeit auf, das für das Leben von Bäuerinnen und Bauern bis heute so dominant ist. Die übrigen Bilder zeigen fast ausschliesslich Landschaften und Gebäude, die im 18. und 19. Jahrhundert errichtet worden sind. Zu diesen Gebäuden ist aus dem Text aber wenig zu erfahren.

Insgesamt bietet der schön gestaltete Band sicher visuellen Genuss. Die Bilder sind fotografisch von hoher Qualität und laden dazu ein, die gezeigten Landschaften selber zu erkunden. Die Aussagekraft der Bilder ist aber begrenzt. Anders als im Sprichwort sagen sie hier nicht mehr als tausend Worte, sondern weniger. Der Text dagegen ist informativ und stellt eine Momentaufnahme der Berner Landwirtschaft dar, die für die Leserinnen und Leser vieles enthalten dürfte, was sie bis jetzt nicht wussten.

Anmerkungen
1 Einen Forschungsüberblick gibt Moser, Peter: Kein Sonderfall. Entwicklung und Potenzial der Agrargeschichtsschreibung in der Schweiz im 20. Jahrhundert. In: Bruckmüller, Ernst et al. (Hrsg.): Agrargeschichte schreiben. Traditionen und Innovationen im internationalen Vergleich. Innsbruck 2004, 132–153.

Zitierweise:
Daniel Flückiger: Rezension zu: Gebäudeversicherung Bern (Hrsg.): Berner Landwirtschaft, Die schönsten Seiten des Kantons Bern, 16, Bern, Stämpfli, 2009. Zuerst erschienen in: Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 72, Nr. 2, Bern 2010, S. 174-176.

Redaktion
Beiträger
Zuerst veröffentlicht in

Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 72, Nr. 2, Bern 2010, S. 174-176.

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